Online-Workshop 6 Kempten-Memmingen

29Sep2020

Titel: Ausbildungserfolg sichern – Herausforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten

14:30 - 17:30 Uhr

Ort: Virtueller Vernetzungsworkshop

Organisator: Sabine Fischer / sabine.fischer@f-bb.de

Virtueller Vernetzungsworkshop "Ausbildungserfolg sichern – Herausforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten" für die Region Kempten-Memmingen

Der Vernetzungsworkshop „Ausbildungserfolg sichern – Herausforderungen und Unter-stützungsmöglichkeiten“ wurde im Rahmen des Projekts „Erfolgreicher Ausbildungsab-schluss von Jugendlichen, insbesondere mit Fluchthintergrund“ vom Forschungsinstitut Be-triebliche Bildung (f-bb) für die Region Kempten-Memmingen gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, der Handwerkskammer (HWK) für Schwaben und der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen virtuell durchgeführt. Das Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales im Rahmen des Arbeitsmarktfonds gefördert.

Im Vordergrund des Workshops stand der Erfahrungsaustausch zwischen Akteur*innen, die die Jugendlichen beim Start in die Ausbildung und im Ausbildungsverlauf begleiten. Es wurden Instrumente und Beispiele guter Praxis für einen erfolgreichen Start in die Ausbil-dung und zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen vorgestellt. 18 Akteur*innen der Region sind der Einladung gefolgt, darunter Vertreter*innen von Betrieben, Lehrer*innen von Berufsschulen, Berufseinstiegsbegleiter*innen, Bildungskoordinator*innen sowie Vertre-ter*innen der beteiligten Kooperationspartner (IHK Schwaben, HWK für Schwaben und Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen).

 

Verhinderung von Vertragslösungen und Ausbildungsabbrüchen erfordern regionale Lösungen und Kooperationen


In seiner Begrüßung verwies Heiko Weber, Projektkoordinator am f-bb, auf die Bedeutung der dualen Ausbildung in Zeiten wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, bspw. durch den demographischen Wandel, die Digitalisierung und die Auswirkungen von Corona. Betriebe können durch eine Ausbildung den eigenen Fachkräftebedarf sicherstellen. Gerade vor diesen Herausforderungen sind der Austausch und die Vernetzung der Akteur*innen, die am Erfolg einer Ausbildung beteiligt sind, von entscheidender Bedeutung.


Vielfältige Problemlagen führen zu Vertragslösungen

Heiko Weber verdeutlichte die Unterscheidung von Vertragslösungen und Ausbildungsabbrüchen. Etwa jede*r vierte Auszubildende vollendete 2018 die Ausbildung nicht und der Ausbildungsvertrag wurde vorzeitig gelöst. Ein Abbruch ist damit aber nicht gleichbedeutend. Dahinter steht oftmals auch ein Wechsel des Ausbildungsbetriebs oder des Ausbildungsberufes. Mit der Höhe der Vertragslösungsquote sind Rückschlüsse auf die Qualität der Ausbildung, ebenso auf die vorgelagerten Entscheidungsprozesse – wie die Passung von Ausbildungsplatz und Interessen – und die Fähigkeiten der Bewerber*innen möglich.

Lösungen sind neben dem frühen Zeitpunkt im Ausbildungsverlauf (ein Drittel in der Probezeit, ein weiteres Drittel im ersten Ausbildungsjahr) auch von der Branche und dem Schulabschluss abhängig (vgl. BIBB 2019, S. 163). Die Gründe für Vertragslösungen sind meist eine Verzahnung unterschiedlicher, ineinander wirkender Faktoren. Für Auszubildende stellen hauptsächlich Konflikte mit Ausbilder*innen und Vorgesetzten, eine mangelnde Ausbildungsqualität und ungünstige Arbeitsbedingungen Gründe für Vertragslösungen dar (vgl. ebd., S. 163 ff.). Betriebe geben eher eine mangelnde Ausbildungsleistung und die fehlende Motivation der Auszubildenden an (vgl. ebd., S. 163 ff.). Besonders (fach-)sprachliche Hürden, fehlendes Fachwissen und unzureichende Kenntnisse des dualen Ausbildungssystems sowie eine eingeschränkte Mobilität und die Wohnsituation sind für Auszubildende mit Fluchthintergrund wesentliche Problemlagen in der Ausbildung.

Hinzu kommt, dass viele Betriebe durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie vermehrt Probleme haben, passende Auszubildende zu finden. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote und Maßnahmen, die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Berufsorientierungsprozess begleiten. Bei den Angeboten handelt es sich vornehmlich um Präsenzangebote, die durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie aktuell nicht im vorgesehenen Umfang umgesetzt werden können. Deshalb wird zunehmend auf digitale Angebote zur Berufsorientierung gesetzt. So beispielsweise ein Online-BOF-Kurs für Migrantinnen und Migranten, der in Würzburg durchgeführt wurde: https://www.bmbf.de/de/bof-kurse-online-den-kontakt-lebendig-halten-11819.html. Ein weiteres Beispiel ist die Plattform Berufsorientierung Bayern, kurz BOBY: https://www.boby.bayern.de. Das Angebot richtet sich an ausbildungsinteressierte Menschen, deren Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch an Unternehmen, die sich zum Thema Ausbildung in Bayern informieren möchten.


Erfolgreicher Start in die Ausbildung und der Umgang mit Herausforderungen während der Ausbildung

Die Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Kooperationspartner (IHK für Schwaben, HWK Schwaben und Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen) stellten in ihren Vorträgen Instrumente für eine gelungene Berufsorientierung und einen guten Start in die Ausbildung vor. Sie gaben Tipps und informierten über Angebote und Unterstützung während der Ausbildung und beantworteten Fragen. Alle Präsentationen finden Sie unten am Ende dieses Textes.

Mohammad Ibrahim (Integrationsberater) und Udo Frick (Berufsorientierungsberater) von der Industrie- und Handelskammer Schwaben gingen in ihren Vorträgen auf das Thema Ausbildungsreife ein und stellten Aktivitäten und Angebote zur Berufsorientierung und während der Ausbildung vor. Die IHK unterstützt die Betriebe bei der Suche nach passenden Auszubildenden und die Jugendlichen und deren Eltern bei der beruflichen Orientierung. Das Lehre macht Karriere Magazin bietet alle Infos rund um das Thema „Berufsorientierung“ und kann kostenfrei bestellt werden. In der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörse können Betriebe ihre freien Ausbildungsplätze anbieten. Bewerber können das Online-Angebot nach Region oder bundesweit durchsuchen und ein Gesuch einstellen.

Der IHK-Firmenguide informiert über Ausbildungsbetriebe mit ihren Ausbildungsberufen, dualen Studienangeboten, Praktikumsmöglichkeiten und ob eine Teilzeitausbildung möglich ist. Die Schulen sind wichtige Partner bei der Berufsorientierung. Die IHK unterhält 320 Schulpartnerschaften in ganz Schwaben. Zusätzliche Angebote der IHK in Zeiten von Corona: Virtuelles Azubi-Speeddating, Vermittlung bei Vertragslösungen und Nachbesetzung, Unterstützung für Azubis, die ihre Stelle wegen Corona verloren haben, einen Übernahmebetrieb zu finden und ein automatisches Matching-Tool wird über die Lehrstellenbörse angeboten.

Mangelnde Qualität und Quantität der Bewerber*innen, die Tendenz zur Akademisierung und die hohen Erwartungen der Bewerber*innen an die Unternehmen führen dazu, dass immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben oder Verträge vorzeitig gelöst werden. Die Erwartungen der Bewerber*innen an die Betriebe steigen: eine gute Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben, flexible Arbeitszeiten, überdurchschnittliche Bezahlung und ein Ausbildungsplatz im regionalen Umfeld. Die Bereitschaft, wegen des Ausbildungsplatzes umzuziehen, sei gering. Für Betriebe im ländlichen Raum ist die Suche nach geeigneten Auszubildenden deshalb schwieriger. Bei den jugendlichen Geflüchteten komme hinzu, dass ein Teil eine sehr strikte Vorstellung über ihre zukünftige Ausbildung und dem Ausbildungsbetrieb habe. Hier werden häufig Industriemechaniker oder ähnliche Berufe genannt und die Ausbildung solle am besten bei einem der großen deutschen Autohersteller stattfinden. Dabei gebe es eine Vielzahl von alternativen Ausbildungen mit einer guten Perspektive. Wegen fehlender Informationen oder aus anderen Gründen würden diese aber oft nicht in Betracht gezogen. Die Eltern hätten zudem wenig Vorstellung von dem dualen Ausbildungssystem. Viele würden davon ausgehen, dass ihre Kinder studieren sollen. Hier bedarf es noch mehr Aufklärung und Information.

Herausforderungen während der Ausbildung seien die unterschiedlichen Erwartungen von Auszubildenden und Ausbilder*innen, Unkenntnis über Rechte und Pflichten während der Ausbildung und fehlende Grundkenntnisse und Verhalten. Bei Geflüchteten sei auch mit kulturellen und sprachlichen Missverständnissen zu rechnen. Miteinander sprechen und gegenseitiges Verständnis können helfen Missverständnisse frühzeitig auszuräumen. Hier können die Ausbildungsberater*innen als „Mediator*innen“ unterstützen. Bei Schwierigkeiten können Betriebsbesuche oder Telefonberatung vereinbart werden. Die Ausbildungsberater*innen der IHK-Schwaben sind Ansprechpartner*innen für Ausbildungsbetriebe und Auszubildende bei Fragen und Herausforderungen während der Ausbildung.

Frage nach geeigneten Sprachkursen: Herr Ibrahim wies darauf hin, dass es neben Nachhilfe und den Ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH), auch Sprachkurse nach der Schule gibt, die mit den Arbeitszeiten überhaupt nicht kollidieren. Entweder bei der VHS Kempten oder auch beim Integrationsamt in Kempten. Herr Ibrahim stellte die Kontaktdaten in der Veranstaltung direkt im Chat zur Verfügung. Er empfiehlt, bei der Suche nach Sprachkursen in Kempten, die jeweilige Berufsschule zu fragen. Die Berufsschulen kennen den Bedarf und können hier weiterhelfen. Es gäbe auch berufsbezogene Deutschkurse in der Region, die im Rahmen von abH angeboten werden. Diese könnten über die Agentur für Arbeit in Erfahrung gebracht werden. Es gibt die Möglichkeit, die Deutschkurse in Teilzeit oder in Blöcken zu besuchen. Die Freistellung dafür müsste dann von den Betrieben erfolgen.

Förderung von Geflüchteten in der Ausbildung: Herr Ibrahim führt aus, dass die Schwierigkeit, einen passenden Ausbildungsplatz zu finden, allgemein ein Thema bei Geflüchteten und auch bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sei. Er empfiehlt Geflüchteten, sie könnten es ebenso mit der Einstiegsqualifizierung (EQ) versuchen. Dabei handelt es sich um ein Langzeitpraktikum von längstens einem Jahr. Danach soll der Jugendliche in die Ausbildung übernommen werden. Wenn die Voraussetzungen stimmen, ist es möglich, gleich in das zweite Ausbildungsjahr einzusteigen. Er wies auf die Initiative „VerA – Stark durch die Ausbildung“ hin, die individuelle Unterstützung von ehrenamtlichen Ausbildungsbegleiter*innen bietet. Sie unterstützen beim Lernen oder wenn es Probleme im Betrieb gibt. Die Unterstützung ist kostenfrei und individuell.

Wenn eine große Zahl von Geflüchteten da ist, könne man sie in Ausbildung einbetten, umrandet mit Sprachkursen, abH und verschiedenen Nachhilfeprogrammen. Für den Einstieg in die Ausbildung wäre ein begleitender Coach sinnvoll, der mit ihnen gemeinsam noch offene Ausbildungsstellen durchsieht und Kurzpraktika initiiert. Daneben gibt es noch das Berufsvorbereitende Jahr (BVJ). Dies sei eine gute Möglichkeit, zwei Jahre lang Sprache zu lernen. Im zweiten Jahr folgt das Praktikum, um über diesen Weg in Ausbildung zu kommen. Hier wären die Berufsintegrationsklassen (2 Jahre) ein gutes Modell.

Herausforderungen in der Ausbildung während Corona. Thema Kurzarbeit: Wie können Betriebe während der Kurzarbeit Ausbildungsinhalte vermitteln? Gibt es Förderung von der Agentur für Arbeit für Qualifizierung während der Kurzarbeit? Udo Frick schilderte, dass bestimmte Inhalte wegen Corona gar nicht vermittelt werden können, weil in der Situation oft die Arbeit nicht da sei, um die Ausbildungsinhalte in der Praxis zu vermitteln. Viele Unternehmen seien dann kreativ geworden, um diese Zeit zu überbrücken und haben digitale Angebote bereitgestellt.

Von Betriebsseite wurde berichtet, dass in diesem Jahr nicht die Ausbildung selbst das Problem sei. Vielmehr hätten aufgrund des hohen Infektionsrisikos die Pflichtpraktika der 9. und 10. Klassen nicht stattfinden können. Das Praktikum sei aber wichtig, um Schülerinnen und Schüler kennen zu lernen und neue Auszubildende für das kommende Ausbildungsjahr zu finden. Im Moment seien die Schulen sehr zurückhaltend und es besteht Verunsicherung darüber, wann wieder Praktika durchgeführt werden können. Das sei im Moment das Problem.

Sabine Blum, Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit Memmingen, empfiehlt, nochmals auf die Schulen zuzugehen und zu sehen, ob Praktika zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können. Die Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit bekommen, die Erfahrungen zu sammeln, die sie brauchen, um eine fundierte Berufswahl treffen zu können. Im Ausbildungsjahr 2021 werde es weniger Bewerbungen geben, da Ausbildungsmarketing und Berufsorientierung nur eingeschränkt greifen konnten.

Cornelia Giegel von der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen bestätigte, dass die Schülerinnen und Schüler noch stark zurückliegen in ihrer beruflichen Orientierung. Während die Schulen geschlossen waren, wurde der Unterricht durch Videomaterial und Selbstlernmaterialien weitergeführt. Die Schülerinnen und Schüler haben sich in der Zeit wenig mit Berufswahl befasst. Der Berufsorientierungsprozess laufe über drei Jahre, ab der 7. Klasse. So können Jugendliche einen guten Informationsstand entwickeln und die Reife, um sich selber einschätzen zu können. Da hinken die geflüchteten Jugendlichen oftmals hinterher, weil sie sich nicht drei Jahre mit Berufswahl beschäftigen konnten. Neben der Berufsberatung gibt es den Arbeitgeberservice, der die freien Ausbildungsstellen der Betriebe sammelt und in die Jobbörse setzt.

Das Programm „Bleib dran an deinen Kompetenzen“ setzt auf die Kompetenzen und individuellen Fähigkeiten der Jugendlichen. Die Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen hat an drei Berufsschulen dieses Programm installiert. Vor allem in den Klassen mit hohen Lösungsquoten, wie Friseure, Logistikbereich, Lagerbereich, Maler, Hotel- und Gaststättenbereich, auch Teile des Einzelhandels. Dieses „Frühwarnsystem“ besteht aus einem Online-Fragebogen zur Selbsteinschätzung der überfachlichen Kompetenzen der Auszubildenden. Im Anschluss wird ein Kompetenzprofil erstellt und anhand vergleichbarer Ergebnisse in derselben Berufsgruppe ausgewertet. Liegen Abbruchtendenzen vor, wird eine Beratung angeboten. Das ist eine gute Möglichkeit, auch während der Ausbildung noch flankierend zu unterstützen und frühzeitig Hilfen anzubieten.

Claudia Rossel-Meyer, von der Handwerkskammer für Schwaben, erläuterte in ihrem Vortrag, dass der Ausbildungsstart trotz Corona stabil ist und im Vergleich zum Vorjahr lediglich ein Minus von 5% aufweist. Sie erläuterte, welche Rechte und Pflichten Ausbildungsbetriebe und Auszubildende haben.

Abschlussrunde

Insgesamt konnten die Kooperationspartner den Teilnehmenden einen umfassenden Überblick geben über die verschiedenen Angebote, Fördermaßnahmen und Unterstützungsmöglichkeiten. Es wurde als sehr positiv eingeschätzt, dass es solche Netzwerke gibt und ein regelmäßiger Austausch stattfinden kann. Vor allem wegen der schwierigen Situationen durch Corona, wolle man sich gerne regelmäßig austauschen und voneinander lernen. Es würde sehr begrüßt werden, wenn es solche virtuellen Angebote weiter geben könnte. Auch für die Jugendlichen wäre das Format von Vorteil, wenn sie so ein komprimiertes Angebot hätten von allen Institutionen.

 

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