Differenzierung zwischen Hilfe und Nachhilfe für Auszubildende (Interview mit Rainer Kissing, Teil 2)
Auftretende ausbildungsgefährdende Situationen sollten individuell betrachtet und die Unterstützung dementsprechend auf den bzw. die Auszubildende*n angepasst werden.
Um die individuellen Problemlagen in der Praxis näher einzuordnen, interviewte das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) Rainer Kissing, zuständig für den Bereich der beruflichen Bildung und Ausbildungsberater bei der IHK zu Coburg. Er berät Auszubildende, die Probleme in der Ausbildung haben bei allgemeinen Fragen sowie zu Rechtsfragen.
Im Workshop „Erfolgreicher Ausbildungsabschluss – Ausbildungsabbrüche vermeiden“ in Bamberg haben Sie zwischen Unterstützung und Hilfe bzw. Nachhilfe unterschieden. Führen Sie diese Differenzierung bitte etwas aus.
Also Nachhilfe würde ich immer dann einem Auszubildenden zukommen lassen oder empfehlen, wenn das Problem darin besteht, dass er Ausbildungsinhalte der Schule, des Betriebes nicht verinnerlicht hat oder nicht versteht. Immer dann ist es sicher sinnvoll, fachlichen Input verstärkt zu geben. Das passiert ja auch in der heutigen Zeit schon sehr erfolgreich über das Programm der Agentur für Arbeit mit den ausbildungsbegleitenden Hilfen.
Vielfach ist aber damit vielleicht das Problem auch gar nicht gelöst, weil man weiß, dass auch Schlechtleistungen nicht unbedingt immer nur in den Bereich der Kenntnisse des jungen Menschen verankert ist, sondern dass möglichweise auch andere Faktoren zu der Schlechtleistung führen, soziale Probleme, psychische Probleme etc.. Und da kommen wir in den zweiten Teil, dass man eben die Problemlage des Auszubildenden auch erstmal erkennen muss. Und dafür ist das Instrument „ausbildungsbegleitende Hilfen“ eigentlich zu schwach. Man muss immer individuell sehen, wo ist der Ansatz der Hilfestellung von außen, um ein Ausbildungsverhältnis entsprechend zu stabilisieren.
Und das heißt dann eben Unterstützung?
Genau, Unterstützung, aber eben individualisiert. Da ist mit Nachhilfe an sich das Problem nicht gelöst. Wenn das ein zwischenmenschliches Problem ist von einem Auszubildenden zu seinem Ausbilder, zu seinem Chef im Unternehmen oder vielleicht auch familiäre Probleme, die sich sozusagen in den Betrieb mit hineinziehen, weil der junge Mensch sich Sorgen macht und das mitnimmt in seinen beruflichen Alltag und er aber im Unternehmen gar nicht so darüber sprechen kann; das sind alles Problemlagen, die muss man auch erstmal erkennen. Der Ausbilder, Chef, wer auch immer sieht da nur „Der Auszubildende bringt die Leistung nicht.“, aber manchmal wird das nicht hinterfragt. Oder man hat auch gar keine Zeit, die Problemlagen zu analysieren oder die Probleme zu analysieren und da Hilfestellung anzubieten. Da ist auch der Betrieb oder der Ausbilder oftmals auch überfordert.
Welche Faktoren sind für die Unterstützung bei ausbildungsgefährdenden Problemlagen besonders wichtig?
Generell ist natürlich wichtig, Ausbildungsverhältnisse zu stabilisieren, dass es zu einem erfolgreichen Ende kommt, mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Die abgeschlossene Berufsausbildung ist nach wie vor in Deutschland ein wesentlicher Faktor zur Karriere, zum Karrierestart oder zu Sicherung der beruflichen Tätigkeit.
Die Unterstützung, da muss man immer individuell betrachten, wo braucht der Mensch Hilfestellungen und wie kann man es dann tun. Das kann einmal ein Termin bei der Drogenberatung sein, wenn da Drogenkonsum von statten gegangen ist oder Alkoholgefährdung vorliegt. Das kann eine psychologische Hilfestellung sein zur Stabilisierung des Menschen an sich. Das ist also sehr vielschichtig.
Weiterführende Informationen
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